Trennen? Ich kann mich nicht entscheiden … Yes you can!

 

Drei Ursachen, warum das Entscheiden im Privaten schwerer fällt als im Beruflichen und wie man das überwinden kann.

Selbst erfahrene Manager tun sich sehr schwer, wenn es um ein ganz bestimmtes Thema geht: Die private Beziehung und die Frage ‘Trennen, ja oder nein’. Doch warum ist das so? Warum fallen die Entscheidungen im Privatleben so viel schwerer als das Entscheiden im Job? An der Dringlichkeit kann es nicht liegen, denn die psychischen Auswirkungen des Nicht-Entscheidens schränken die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität spürbar ein.
 
Kaffee oder Tee? Berge oder See? Gehen oder bleiben? Endlos ist die Reihe der Entscheidungen, die wir im Laufe unseres Lebens treffen: Manche sind folgenschwerer als andere. Experten sprechen von rund 20.000 Entscheidungen, die wir täglich treffen. Die meisten davon treffen wir automatisch, ohne darüber nachzudenken. Die Entscheidung über ‚Trennung, ja oder nein‘ lässt die meisten Menschen, zumindest in langjährigen Partnerschaften verzweifeln wie kaum eine andere. Das Gedanken-Karussell kommt nicht zum Stillstand. Die `Qual der Wahl´ bringt es sprichwörtlich auf den Punkt.
 
Warum, fragen wir uns. Warum fällt die Entscheidung für ‚Trennen, ja oder nein‘ im Privaten so schwer, wo selbst komplexe Entscheidungen im Beruflichen leicht fallen?
 
Hier die drei größten Ursachen, die die Entscheidung von Trennen, ja oder nein‘ in der Partnerschaft verhindern:
 

‘Ich kann mich nicht entscheiden’ Ursache #1:
Herz und Verstand sind nicht in Einklang
 

Die Entscheidung über ‘Trennen, ja oder nein’ ist hoch komplex. Es geht eben nicht nur um ein einfaches “Ja” oder “Nein”. Die Konsequenzen sind vielfältig und folgenschwer. Je länger eine Partnerschaft andauert, desto mehr Lebensbereiche sind betroffen. 
 
Viele Menschen fühlen sich innerlich zerrissen. Dieser Widerspruch entsteht dadurch, dass Herz und Verstand nach unterschiedlichen Kriterien bewerten. 
 
Der Verstand bewertet danach, was sachlich richtig, was moralisch oder vernünftig ist. Zum Beispiel die noch immer gesellschaftlich gegenwärtige Schuld, ein Versprechen zu brechen und den Partner und die Kinder traurig zu machen. 
Das Herz bewertet nach dem Kriterium, ob es angenehm oder unangenehm ist. Tue ich das gerne oder nicht? Häufig werden nach einigen Beziehungsjahren emotionale Grundbedürfnisse  nicht mehr befriedigt. Das Herz macht sich immer lauter bemerkbar.
Dies sind zwei völlig verschiedene Perspektiven, die auf ein- und dieselbe Frage, nämlich `Trennen, ja oder nein – eingenommen werden. So kann es sein, dass jemand aus moralischen Gründen heraus seine Familie schützen will, aber sich gleichzeitig emotional nach etwas ganz anderem sehnt. Nichts scheint zusammenzupassen. Das Gedanken-Karussell dreht sich immer schneller.
 
Viele klammern sich an die Idee vom sogenannten Homo Oeconomicus, also einem typischen Business-Menschen, der nur aus sachlichen, rationalen Kriterien heraus entscheidet. Andere wiederum glauben daran, dass das Herz immer recht hat. Einseitigkeit bringt hier nicht weiter. Es geht darum, dass wir Menschen zwei Systeme haben. Und die müssen zur Deckung gebracht werden.
 

‘Ich kann mich nicht entscheiden’ Ursache #2:  
Die Antwort im Außen suchen

 

Die zweite größte Ursache, die eine Entscheidung ‘Trennen, ja oder nein’ schwer macht, ist die Suche nach der Antwort im Außen. Die Erwartungen sind vielfältig und häufig geprägt von starken Moralvorstellungen. “Du kannst doch deine Familie nicht verlassen“, warnen die Eltern, “Halte durch, jeder hat mal eine Krise” oder “Sei nicht so egoistisch”! Gut gemeinte Ratschläge von Freunden, die Beziehung zu retten, spiegeln mehr die eigene Angst wieder, als dass sie den Betroffenen wirklich weiterhelfen. “Es geht doch allen so” ist ein Argument, dass jegliche noch so dringende Veränderung im Keim erstickt. 
 
Die allgemeinen Vorstellungen über die katastrophalen finanziellen Konsequenzen oder die psychischen Folgen für die Kinder, angeheizt durch Filme wie “Rosenkrieg” mit Kathleen Turner und Michael Douglas, stecken in den Knochen. Die Tatsache aber, dass Trennungen in vielen Fällen auch positiv für alle Beteiligten verlaufen können, findet in der öffentlichen Diskussion kaum oder gar nicht statt.
 

“Wenn Du Konflikte vermeidest, um den Frieden zu bewahren, 
beginnst du einen Krieg in dir selbst.“

 
Fakt ist, wenn man versucht, es allen recht zu machen, um Konflikte im Außen zu vermeiden, dann verlagert man diese nur nach innen und startet damit einen Krieg in sich selbst. Die Gedanken stehen nicht mehr still. Entspannung weicht Dauerstress. Betroffene fühlen sich hin und her gerissen zwischen Ja und Nein. Je länger das Thema verdrängt wird, desto häufiger schlägt das Pendel von einem Extrem ins andere. Viele haben das Gefühl, verrückt zu werden.
  

‘Ich kann mich nicht entscheiden’ Ursache #3:
Die Suche nach DER richtigen Antwort

 

Richtige Entscheidungen gibt es, wenn man beispielsweise fragt: “Wie viel ist zwei plus zwei?”. Antwortet darauf jemand: “Fünf”, dann ist jedem klar: Nein, das ist falsch! Doch `richtige Entscheidungen bei großen Lebensfragen gibt es nicht´, weiß die Psychoanalytikerin Maja Storch. 
Es gibt so viel richtig” und falsch”, wie es Menschen auf dieser Erde gibt. Denn jeder Mensch trägt in sich sein ganz eigenes Bewertungssystem, das der Verstand und das unbewusste emotionale Erfahrungsgedächtnis miteinander abgleicht. Jeder Mensch hat nun mal ganz eigene Erfahrungen gemacht und diese emotional anders verarbeitet. 
 
Allerdings lassen längst überholte Moralvorstellungen über die Ehe viele Menschen noch immer in Scham- und Schuldgefühlen verharren. Dringend notwendige Entwicklungsprozesse werden damit blockiert. Viele treffen lieber keine Entscheidung als die falsche. Die schwerwiegenden Folgen des Nicht-Entscheidens werden verdrängt. Es entsteht ein Entscheidungsvakuum, in dem nichts passiert. Das Zögern bereitet den Nährboden für Fluchtstrategien, wie heimliches Fremdgehen.
 
Im beruflichen Kontext ist klar, dass es besser ist, irgendeine Entscheidung zu treffen, als gar keine. Im Privaten dagegen sorgen falsch verstandene Moralvorstellung davon, was man tut, oder eben nicht tut, nicht nur für Stillstand, sondern auch zu inneren Konflikten und Dauerstress. Unterdrückte Gefühle gehen nicht mehr einfach so weg. 
 
Auch wenn es letztendlich die richtige Entscheidungen bei ‘Trennen, ja oder nein’ nicht gibt, kann der Entscheidungsprozess klug ablaufen. Man kann also eine richtige Entscheidung von einer klug getroffenen unterscheiden. Eine kluge Entscheidungen zu treffen, kann man lernen, wenn man weiß, worauf man zu achten hat.
 

Wie kann also die Ursache fürs Nicht-Entscheiden überwunden werden und eine kluge Entscheidung für ‘Trennen, ja oder nein’ getroffen werden?

 
Die Entscheidung zu ‚Trennen, ja oder nein‘ ist nicht einfach nur ein ‚Ja‘ oder ein ‚Nein‘. Denn Trennung ist kein Zustand, sondern ein Prozess. 
 
Wir haben bereits gesehen, dass es DIE eine richtige Antwort nicht gibt. Und die Antworten sind so zahlreich, wie es Menschen auf diesem Planeten gibt. Vor diesem Hintergrund macht es nur Sinn, die Antwort auf ‘Trennen, ja oder nein’ in einem klugen Entscheidungsprozess individuell zu entwickeln. Wie kann so ein kluger Entscheidungsprozess aussehen?

 “Trennung ist kein Zustand, sondern ein Prozess.” 


Viele Menschen, die an der privaten Weggabelung stehen, sagen:
“In meinem Job treffe ich ohne weiteres Entscheidungen. Aber im Privaten kann ich es nicht.” Was ich immer wieder sehe, dass es also nicht grundsätzlich an einer Entscheidungskompetenz liegt, sondern daran, dass die erfolgreiche Entscheidungsstrategie nicht im privaten Kontext angewendet wird. Was aber nicht nur möglich, sondern auch hilfreich wäre. 
 
Tatsächlich ist ein kluger Entscheidungsprozess für ‚Trennen ja oder nein‘ nicht viel anders als ein Entscheidungsprozess im beruflichen Umfeld. Die Struktur lässt sich zum Teil übertragen. 
 
Detaillierte Situationsanalyse aller Lebens- und Partnerschaftsbereiche
Im beruflichen Umfeld startet der Entscheidungsprozess für eine komplexe Fragestellung immer mit einer umfassenden Situationsanalyse. Wo stehe ich? Wo liegen die  Stärken und die Schwächen? Genauso kann das bei ‚Trennen ja oder nein‘ auch gemacht werden. Welche Lebensbereiche stärken mich und welche rauben mir Energie? Wie sieht das bei den Partnerschaftsbereichen aus? Was läuft heute gut und was weniger gut? Die meisten schauen hier viel zu wenig detailliert hin, sondern pauschalisieren. „Ich bin unglücklich in meiner Partnerschaft“, ohne das genau benennen zu können. Zu schnell wird davon ausgegangen, dass der Partner einfach nicht mehr der ist, der er einmal war. Wenn er oder sie sich doch nur ändern würde. Schaut man sich die fünf Phasen einer Beziehung an, dann wird sofort klar, dass jede Partnerschaft sich verändert und dass die Herausforderungen ziemlich exakt vorhersehbar sind. Was im beruflichen Gang und Gebe ist, sich auf Veränderungen einzustellen, soll im Privaten am liebsten so bleiben, wie es am Anfang war. Ein agiles Beziehungs-Change-Management würde also durchaus Sinn machen.
 
Analyse der eigenen Bedürfnisse
Nach Abschluss einer sorgfältigen Ist-Analyse geht es darum herauszufinden, was die Anforderungen sind und was zukünftig benötigt wird. Übertragen auf die Partnerschaft stellt sich hier die Frage nach den eigenen Bedürfnissen. Was brauche ich, um glücklich zu sein - nicht nur in der Partnerschaft, sondern in allen Lebensbereichen? Vielen ist auch das nicht im Detail klar. “Ich will so geliebt werden, wie ich bin und glücklich sein.” Auf Nachfragen, was genau damit gemeint ist und was dafür erreicht werden muss, kommt oft wenig Konkretes. In einem klugen Entscheidungsprozess gilt es die eigenen Bedürfnisse und Wertevorstellungen zu konkretisieren und genau zu benennen. Denn nur wenn man hier klar ist, wird es überhaupt möglich zu bewerten, inwieweit die aktuelle Partnerschaft das Umfeld dafür bietet.
 
Perspektivwechsel
Sind die eigenen Anforderungen klar, wird im beruflichen Kontext der Mitbewerb analysiert. Im Privaten geht es jetzt um den Partner bzw. die Partnerin. Mit einem Perspektivwechsel gilt es herauszufinden, was der Partner bzw. die Partnerin braucht, um in der Partnerschaft glücklich zu sein? Hier geht es nicht um den Mitbewerber, aber um konkurriende Bedürfnisse. Denn nur wenn beide Partner ihre wesentlichen Bedürfnisse befriedigen können, ist eine langfristige und glückliche Partnerschaft überhaupt möglich. Mit einer Partnerschaftsenergiebilanz kann man sichtbar machen, wie gut ein Paar zusammenpasst – wo Gemeinsamkeiten und wo Unterschiede liegen.
 
Chancen-Risiken-Analyse
Im unternehmerischen Kontext ist dann eine Chancen und Risiken Betrachtung wie selbstverständlich. Auf das Private übertragen, stellt sich die Frage: Welche Chancen hat man zusammen als Paar? Was kann man gemeinsam erreichen? Und auch, welche Risiken birgt eine Partnerschaft? Kann ich mich in der Beziehung ausreichend verwirklichen?
 
Entwicklung, Kreativität und Innovation
Die Suche nach neuen Möglichkeiten kann beginnen: Wie lassen sich Unterschiedlichkeiten integrieren? Welche neuen Ansätze und Verhaltensweisen sind denkbar, möglich und gewünscht? Was ist möglich, was man bisher noch nicht gesehen hat, und was jetzt im Verlauf des Prozesses ans Tageslicht gekommen ist?  
Auch in einer Beziehung ist Innovation möglich, sobald wir alte Beziehungsmodelle und eingefahrene Glaubensmuster und Sichtweisen loslassen. Warum nicht auch im Privaten kreativ werden und ein gemeinsames “Start-up für die Beziehung” gründen. „Against all odds“ jenseits von alteingefahrenen Beziehungsstrukturen, die Partnerschaft neu ausrichten. Wieso nicht wieder die Begeisterung und die Energie des Neuen und Spannenden entfachen? So dass Leben endlich wieder Spaß macht? Fangen wir an, wieder in Chancen zu denken und mit Begeisterung heranzugehen, zeigen sich wie von selbst zahlreiche neue Möglichkeiten, die am Anfang nicht denkbar waren. Denn unter Stress und Druck kann einfach nichts Neues entstehen.
 
Die Entscheidung
Schließlich liegen neue Möglichkeiten auf dem Tisch. Es gibt nicht mehr viel zu tun. Die eigentliche Arbeit ist bereits im Verlaufe des Prozesses geschehen. Jetzt gilt es nur noch die beste der entstandenen Möglichkeiten auszuwählen. Eine gute Entscheidung ist stimmig, was bedeutet, dass Herz und Verstand ja sagen. Zwei Fragen sind hilfreich die Optionen zu bewerten: Wie machbar ist die Option? Wie fühlt sie sich an?
Am Ende steht eine Entscheidung, die Schritt für Schritt erarbeitet und bewusst entschieden wurde. Es geht nicht mehr um richtig oder falsch, sondern darum, welche der Möglichkeiten im Vergleich am aussichtreichsten ist. Nicht-Entscheiden kann eine der Möglichkeiten sein. Aber dann wird das Nicht-Entscheiden zu einer bewussten Entscheidung.